Offenheit und diffbar < mehrere Veränderl. < reell < Analysis < Hochschule < Mathe < Vorhilfe
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(Frage) beantwortet | Datum: | 17:12 Mi 03.10.2018 | Autor: | Maxi1995 |
Hallo,
die Frage ist jetzt vielleicht blöd, aber kann mir bitte einmal jemand die Intuition dahinter erklären, dass man bei Differenzierbarkeit stets eine offene Urbildmenge zugrunde legt?
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Diffbarkeit bedeutet, dass du für ein bestimmtes [mm] x_0, [/mm] in dem die Fkt. diffbar sein soll, den Differenzenquotienten bildest und dass dieser einen linksseitigen [mm] (xx_0) [/mm] Grenzweit hat, die beide gleich sind.
So hat der Differenzenquotient der Betragsfunktion für [mm] x_0 [/mm] = 0 den rechtsseitigen Grenzwert 1 und den linksseitigen Grenzwert -1, und deshalb ist diese Fkt. in [mm] x_0 [/mm] = 0 nicht diffbar, in allen anderen Punkten aber doch.
Für ein abgeschlossenes Intervall wäre die Fkt. an den Rändern nicht mehr diffbar, da der Differenzenquotient an der Untergrenze keinen links- und an der Obergrenze keinen rechtsseitigen Grenzwert hat. In einem offenen Intervall findest du zu jedem Punkt noch weitere links- und rechtsseitige Punkte.
So ist z.B. die Funktion [mm] f(x)=sin(x+x*\wurzel{x}) [/mm] für x [mm] \ge [/mm] 0 definiert, aber nur für x>0 diffbar, da für [mm] x_0=0 [/mm] der linksseitige Differenzenquotient nicht existiert. Der rechtsseitige Grenzwert lässt sich so ermitteln:
Für x>0 gilt: [mm] \bruch{f(x)-f(x_0)}{x-x_0}=\bruch{sin(x+x*\wurzel{x})-0}{x-0}=\bruch{sin(x+x*\wurzel{x})}{x}=\bruch{sin(x+x*\wurzel{x})}{x+x*\wurzel{x}}*\bruch{x+x*\wurzel{x}}{x}=\bruch{sin(x+x*\wurzel{x})}{x+x*\wurzel{x}}*(1+\wurzel{x})
[/mm]
Weil [mm] \bruch{sin(h)}{h} [/mm] für h [mm] \mapsto [/mm] 0 gegen 1 geht, geht dieser Ausdruck für x [mm] \mapsto [/mm] 0 gegen 1*1=1. (Setze [mm] h=x+x*\wurzel{x})
[/mm]
Obwohl dies eindeutig ist, gilt f für [mm] x_0=0 [/mm] als nicht diffbar!
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Hallo,
per Definition ist eine Funktion $f: [mm] \IR^n \to \IR^m$ [/mm] differenzierbar in einem Punkt [mm] $\xi \in \IR^n$, [/mm] wenn sie bei [mm] $\xi$ [/mm] linear approximierbar ist. Wenn es also eine lineare Abbildung $A : [mm] \IR^n \to \IR^m$ [/mm] gibt, so dass für alle [mm] $\xi [/mm] + h$ aus einer [mm] $\delta$-Umgebung [/mm] von [mm] $\xi [/mm] $ die Differenz [mm] $f(\xi [/mm] +h) - [mm] f(\xi)$ [/mm] dargestellt werden kann durch
$$ [mm] f(\xi+h)-f(\xi) [/mm] = Ah + r(h)$$
mit [mm] $\lim_{h \to 0}\frac{r(h)}{\Vert h \Vert} [/mm] = 0$
Damit $f$ an der Stelle [mm] $\xi$ [/mm] differenzierbar sein kann, brauchst du also stets eine Umgebung in der $f$ bei [mm] $\xi$ [/mm] linear approximiert werden kann (beispielsweise eine [mm] $\varepsilon$-Kugel [/mm] wenn man die Standardtopologie des [mm] $\IR^n$ [/mm] zugrunde legt.) In der obigen Definition ist die Rede eben von einer [mm] $\delta$-Umgebung, [/mm] gemeint ist dasselbe.
Bzgl. der Standardtopologie auf [mm] $\IR^n$ [/mm] ist jede Menge $U [mm] \subset \IR^n$ [/mm] offen, wenn jeder Punkt $x [mm] \in [/mm] U$ eine [mm] $\varepsilon$-Umgebung [/mm] besitzt, die noch ganz in $U$ enthalten ist.
Ebenso wie Stetigkeit ist Differenzierbarkeit aber eine lokale Eigenschaft.
Eine differenzierbare Abbildung ist also eine solche, die auf ihrem ganzen Urbildbereich [mm] $\mathfrak{U}$ [/mm] differenzierbar ist. Das heißt jeder Punkt in [mm] $\mathfrak{U}$ [/mm] muss in einer Umgebung linear approximierbar sein. Das bedeutet aber dann insbesondere, dass jeder Punkt in [mm] $\mathfrak{U}$ [/mm] in einer Umgebung liegt, die noch ganz in [mm] $\mathfrak{U}$ [/mm] enthalten sein soll, also muss von [mm] $\mathfrak{U}$ [/mm] die Offenheit gefordert werden.
Du kannst im Grunde lokale Differenzierbarkeit auch in geschlossenen oder halboffenen Mengen definieren, solange die Punkte, an denen die Funktion differenzierbar sein soll stets einer Umgebung liegen, die noch ganz in der Menge enthalten sind. Randpunkte lassen sich in diesem Kontext aber eben nicht linear approximieren.
LG,
ChopSuey
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(Antwort) fertig | Datum: | 08:50 Do 04.10.2018 | Autor: | fred97 |
> Hallo,
> die Frage ist jetzt vielleicht blöd, aber kann mir bitte
> einmal jemand die Intuition dahinter erklären, dass man
> bei Differenzierbarkeit stets eine offene Urbildmenge
> zugrunde legt?
Du meinst sicher eine offene Definitionsmenge.
1. Schauen wir uns zunächst den folgenden Fall an: sei D eine Teilmenge von [mm] \IR [/mm] und $f:D [mm] \to \IR$ [/mm] eine Funktion. Weiter sei p [mm] \in [/mm] D. Es ist nun keineswegs so, dass man für die Frage nach der Differenzierbarkeit von f in D die Offenheit von D fordert (obwohl das oft gemacht wird, aber man verschenkt dann viel). Es genügt zu fordern: p ist auch noch ein Häufungspunkt von D. Dann kann man betrachten:
[mm] \lim_{x \to p, x \in D \setminus\{p\}}\frac{f(x)-f(p)}{x-p}.
[/mm]
f heißt dann in p differenzierbar, wenn obiger Limes in [mm] \IR [/mm] existiert.
Daher muss ich HJKwesleit heftigst widersprechen.
Beispiele:
a) ist z.B. D=[a,b] (mit a<b), so ist f in a differenzierbar, wenn
[mm] \lim_{x \to a+}\frac{f(x)-f(a)}{x-a}
[/mm]
in [mm] \IR [/mm] existiert.
Entsprechend definiert man Differenzierbarkeit von f im Punkt b.
b) HJKweseleit def. die Funktion $ [mm] f(x)=sin(x+x\cdot{}\wurzel{x}) [/mm] $ für $x [mm] \in [/mm] D= [0, [mm] \infty]$ [/mm] und sagt, dass f in p=0 nicht differenzierbar sei. Bei dieser Auffassung verschenkt man viel. Es ex.
[mm] \lim_{x \to 0+}\frac{f(x)-f(0)}{x-0} [/mm] und ist =1.
f ist also in p=0 differenzierbar.
2. Anders ist die Situation im Falle f:D [mm] \to \IR^m, [/mm] wobei D eine Teilmenge des [mm] \IR^n [/mm] mit n [mm] \ge [/mm] 2 ist. Hier ist es so, dass meist (aber auch nicht immer !) gefordert wird, dass D offen ist. Der Grund für diese Forderung ist u.a. folgender:
man möchte, dass (totale) Differenzierbarkeit von f in p [mm] \in [/mm] D die Existenz aller Richtungsableitungen von f in p zur Folge hat und daher auch die partielle Differenzierbarkeit von f in p.
Ist u [mm] \in \IR^n [/mm] und u [mm] \ne [/mm] 0 ( u ist also eine "Richtung"), so betrachtet man für die Richtungsableitung von f in p in Richtung u die Gerade
[mm] \{p+tu: t \in \IR\}.
[/mm]
Diese Gerade wird i.a. nicht ganz in D liegen. Ist aber D offen, so hat man p+tu [mm] \in [/mm] D für hinreichend kleine |t|. Damit kann man nach der Existenz des folgenden Grenzwertes fragen:
(*) [mm] \lim_{t \to 0}\frac{f(p+tu)-f(p)}{t}.
[/mm]
Nun hätte man gerne:
f (total) differenzierbar in p [mm] \Rightarrow [/mm] für jede Richtung u ex. der Grenzwert in (*).
Das ist auch so. Dafür benötigt man die Offenheit von D.
Dann hat man auch:
f (total) differenzierbar in p [mm] \Rightarrow [/mm] für jede Richtung u ex. der Grenzwert in (*) [mm] \Rightarrow [/mm] f ist in p partiell differenzierbar.
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(Antwort) fertig | Datum: | 10:39 Do 04.10.2018 | Autor: | fred97 |
Ein weiterer Grund:
Sei D eine Teilmenge des [mm] \IR^n [/mm] und $f:D [mm] \to \IR^m$ [/mm] eine Funktion und p [mm] \in [/mm] D.
Differenzierbarkeit von f in p wird ja so def.: es gibt eine lineare Abb: $T: [mm] \IR^n \to \IR^m$ [/mm] mit
[mm] $\frac{f(x)-f(p)-T(x-p)}{||x-p||} \to [/mm] 0 $ für $x [mm] \to [/mm] p$.
T sollte eindeutig bestimmt sein ! Das kann man aber nur garantieren , wenn man sich auf mindestens n linear unabhängigen Richtungen dem Punkt p in D nähern kann.
Ein Beispiel: Sei [mm] $D=\{(x,y) \in \IR^2: x=y\}$ [/mm] und $f:D [mm] \to \IR$ [/mm] def. durch $f(x,y):=x$.
Für T=(a,b) [mm] \in \IR^2 [/mm] mit a+b=1 ist , wobei (x,y) [mm] \in [/mm] D und p=(0,0)
[mm] \frac{f(x,y)-f(0,0)-(ax+by)}{\sqrt{x^2+y^2}}=\frac{x-(a+b)x}{\sqrt{2}|x|}=0.
[/mm]
Hier sieht man , dass die Eindeutigkeit von T flöten geht.
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(Mitteilung) Reaktion unnötig | Datum: | 07:33 Fr 05.10.2018 | Autor: | Maxi1995 |
Vielen Dank euch allen.
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