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Determinismus: Frage (überfällig)
Status: (Frage) überfällig Status 
Datum: 15:55 Do 19.10.2006
Autor: andreas01

Liebe Kollegen !

Ich habe eine Seminararbeit geschrieben zum Thema :

Der Begriff der Erkenntnis aus der Sichtweise der Erkenntnisbiologen und der Sichtweise der modernen Wissenschaft.doc

Ich gebe diesen Artikel zum Lesen frei, mich würde eure Meinung sehr interessieren !

liebe Grüße,

Andreas

Kann neueste Wissenschaft die Grundaussage von Rupert Riedl und Konrad Lorenz, dass Erkenntnis in seinen Grundvoraus-
setzungen biologisch vorprogrammiert sei, zumindest teilweise entkräften ?



„Die Ordnung des Lebendigen zu betrachten, führt zur Evolution unserer eigenen Vernunft, der Voraussetzung eben jene Evolution zu begreifen“.
Dieser Satz von RUPERT RIEDL, einem renommierten Biologen der Universität Wien, der sich mit den stammesgeschichtlichen Grundlagen der Vernunft beschäftigt hat, den ich einmal irgendwo gelesen habe, als auch der allgemeine Erkenntnisgewinn während eines Studiums, veranlassen mich dazu, mich ein wenig mit den Begriffen Erkenntnis, Vernunft als auch mit dem Zusammenhang zwischen den beiden Begriffen zu beschäftigen. Ich möchte wissen, ob
Erkenntnis und Vernunft wirklich in sehr großem Ausmaß biologisch determiniert sind, wie
von so manchen Biologen vielfach behauptet wird ?
Wie noch genauer dargelegt wird, sind laut den Biologen rund um das Altenberger Seminar von Konrad Lorenz Wille und Handlung stets sehr stark biologisch determiniert. Hier halte ich es für unabdingbar, ja sogar für meine Aufgabe, Stellung zu beziehen zu neuen Theorien, die die Indeterminiertheit der Gehirnprozesse zumindest teilweise zu erklären versuchen. Es gibt keine Ansätze der Altenberger Schule Indeterminismus ins Spiel zu bringen.
Den Erkenntnisbiologen will ich Vorsätzlichkeit in ihrer sehr wohl angreifbaren Argumentation, um nur ein Beispiel zu nennen, dass „Aggression natürlich und zielgerichtet“ sei, nicht unterstellen, dennoch ist und bleibt Determinismus ein Gespenst in den Gehirnen nicht nur mancher Politiker!
Beigetragen zum Interesse an diesen Begriffen hat sicher auch ein ehemaliger Universitätsprofessor für Experimentalphysik von mir, der immer gemeint hat, dass die Ordnung der realen organischen als auch anorganischen  Welt die Voraussetzung sei, von ihr lernen zu können, wobei jegliches formales Denken dann nur mehr eine Folge der „Gewöhnung an Strukturen“  sei. Ist „Gewöhnung an Strukturen“ auch biologisch mehr oder weniger determiniert, habe ich überhaupt  Gestaltungsspielraum ?
Mir geht es in der vorliegenden Arbeit nicht darum, grundlegende Begriffe wie Erkenntnis,
Vernunft, Bewusstsein, Freiheit und Determinismus aus der Sichtweise der biologisch
bestimmten Forschung mit der Sichtweise der nach Indeterminismus verzweifelt suchenden
sogenannten modernen Wissenschaft einzeln zu vergleichen, was den Rahmen deutlich sprengen würde, sondern darum, Argumente, die den Indeterminismus der Gehirnprozesse
zumindest erahnen lassen, zu werten und zu einer, wenn auch sehr persönlichen Weltanschauung zu finden, die vielleicht von (Natur-)Wissenschaft geprägt sein mag, aber dennoch einen moralischen Aspekt gegenüber der Natur und der Gesellschaft enthalten soll .
Die „Biologie der Erkenntnis“ hat  mich immer schon sehr beschäftigt, wegen der angeblich
großen Vorbestimmtheit menschlicher Verhaltensweisen als auch Denkweisen; wo sind meine Grenzen, kann ich sie überhaupt erkennen? Andererseits ist es mir einfach sympathischer, Indeterminismus für die Freiheit des Willens und Handelns zumindest als notwendig zu fordern, um mit der hinreichenden Ergänzung von Rationalität und Selbstbestimmumg den Menschen über das Tier zu erheben.
Der Versuch einer Gegenüberstellung der beiden so unterschiedlichen Arten der Erklärung von mehr oder weniger großer Vorbestimmtheit im menschlichen Handeln soll aber dennoch angedacht werden.

R. RIEDL und K. LORENZ schildern die Evolution als erkenntnisgewinnenden Prozeß; sie sprechen in ihren Büchern von der „Biologie der Erkenntnis“ und untersuchen die biologischen Bedingungen, unter welchen die Voraussetzungen unseres rationalen Denkens verankert worden sind. Damit gibt RIEDL der „evolutionären Theorie der Erkenntnis“, wie sie von  KONRAD LORENZ und SIR KARL POPPER bereits länger vorhergesehen wurde eine Erweiterung, einen Ausbau mit biologischer Argumentation.
Die Theorie von Riedl ist eine biologische Theorie des Erkenntnisgewinns; auf eben diese Theorie bin ich aufmerksam geworden, als ich zum ersten mal hörte, dass das Auge „sonnenhaft“ sei. Wenn ich mit einem solchen Instrument, ich möchte dieses Organ vorerst einmal so nennen, das Licht untersuche, welches sich dem zu untersuchenden Objekt „gänzlich“ angepasst hat, dann muß mir zwangsläufig die Natur in sehr großem Ausmaß vorgeben, wie ich sie zu sehen habe! Ist womöglich mein Denken auch „nur“ ein Produkt der Biologie, sodaß ich immer ein Stück von der Welt, wie sie „wirklich“ ist, entfernt bin? Entgeht mir durch die biologische Hülle Erkenntnis ?
Ist womöglich die Konstruktion des Auges nur ein mäßiges Abbild von dem, was es wirklich noch gibt ? Niemand kann mit Gewissheit sagen, das Auge bildet die Gesetze der Optik eins zu eins nach, denn die Gesetze der Optik münden im Atomaren und hier ist guter Rat teuer.
Mich fasziniert die Vorstellung, dass Erkennen durch die Biologie zumindest zum Teil vorgegeben sein muß, genauso wie mich die reine Lehre der Logik, wo Erkenntnis aus Erkenntnis gewonnen wird, sehr beschäftigt.
Die Biologen vernetzen Erkenntnis, die durch Anpassung und Selektion entsteht, mit Vernunft. Vernunft steht dabei für sinnvolle, lebenserhaltende Handlung.
Wille und Handeln werden in der biologischen Erkenntnistheorie sehr stark deterministisch interpretiert. Bewusstsein, Selbstreflexion und rationale Vernunft sind ebenfalls in großem Ausmaß an sogenannte stammesgeschichtlich erworbene Lehrmeister (unbewusst ablaufende Erkenntnisleistungen, denen vier noch zu erläuternde Hypothesen zugrunde liegen)gebunden.
Sämtliche Erkenntnisleistungen des Menschen kommen durch jenen physiologischen Mechanismus des Zentralnervensystems zustande, den man als kognitiven Apparat bezeichnet. Die dem Bewusstsein und der Selbstreflexion zugänglichen Leistungen bilden dabei das System der rationalen Vernunft. Als ratiomorphen Apparat bezeichnet man hingegen jene Verrechnungsmechanismen, welche als stammesgeschichtliche Vorläufer die funktionellen Voraussetzungen der Vernunft darstellen. Es handelt sich dabei um jene unbewusst ablaufenden Erkenntnisleistungen, die von den Biologen des Altenberger Seminars
unter dem Gesichtspunkt von vier Hypothesen behandelt werden :
Die Hypothesen vom anscheinend Wahren und vom Ver-Gleichbaren sollen im Kapitel 4 dieser Arbeit behandelt werden, da sie meiner Arbeit als Naturwissenschaftler sehr nahe stehen. Auf die Hypothese von der Ur-Sache und vom Zweckvollen soll nur streifend eingegangen werden. Die beiden ersten Hypothesen ergeben zumindest im weiteren Sinne meine sehr persönliche Meinung in Kapitel 5.



Der biologischen Sichtweise für die Begriffe Erkenntnis, Vernunft, Bewusstsein, Freiheit, welcher der Vorwurf der Determiniertheit anlastet, gegenüberstellen möchte ich die Aussagen einiger Wissenschaftler, die das Leib-Seele-Problem mit der Quantentheorie lösen wollen, immer in Anbetracht dessen, dass eben jene Theorie immer dann auftaucht, wenn man „genügend tief“ in die Materie „eindringt“, aber auch, dass eine Erklärung dieser Theorie immer noch nicht gelungen ist. Die Gegenüberstellung soll NICHT derart sein, dass die
einzelnen Begriffe der einen Theorie mit denen der anderen verrechnet werden, das Haupt-
augenmerk soll darauf gerichtet sein, den Unterschied in Bezug auf den Begriff
Determinismus menschlichen Handelns herauszuarbeiten.
Wenn alle Prozesse, die im Gehirn ablaufen, ausnahmslos vorherbestimmt sind, dann gibt es für den freien Willen des Menschen keinen Platz mehr. Sowohl Quantenphysik als auch Chaostheorie versuchen deshalb, die strenge Kausalität der Gehirnprozesse dadurch zu umgehen, indem sie das Element des Zufalls ins Spiel bringen. Doch auch dann, wenn etwa die Quantentheorie recht hätte, wäre dies noch keine Erklärung für Freiheit und Selbstbestimmung, denn eine bewusste Entscheidung geschieht ja nicht nur per Zufall, sondern immer auch mit Notwendigkeit.(Erkenntnisbiologen sehen die „bewusste“ Entscheidung wesentlich eingeschränkt durch die sogenannte vorbewusste Verrechnung des
ratiomorphen Apparates).
In der Philosophie wird grundsätzlich zwischen Willensfreiheit (bzw.Entscheidungsfreiheit) und Handlungsfreiheit unterschieden. Das "Freiheitsproblem" besteht aus zwei Fragen: "Was ist Freiheit?" und "Sind wir frei?" Wobei jeweils Willens- oder Handlungsfreiheit gemeint sein kann.
Das Freiheitsproblem ist ein altes philosophisches Thema, heute ist es allerdings durch die Erfolge der Hirnforschung wieder besonders populär. Bezüge zur Quantentheorie hat schon MAX PLANK hergestellt. Vielfach wird unter Philosophen und Naturwissenschaftlern der indeterministische Freiheitsbegriff vertreten, allerdings in Kombination mit weiteren sogenannten hinreichenden Faktoren, nämlich Rationalität und Selbstbestimmung. Indeterminismus wird als notwendig aufgefasst.



1. Einiges zu Rupert Riedl und Konrad Lorenz

   Erkenntnisgewinn aus der Biologie, besser gesagt aus biologischen Vorbedingungen abzu -
   leiten, macht den Unterschied zur Philosophie aus, denn es überleben nur jene Theorien,    
   die sich an der Erfahrung bewähren.
Jeder erfolgreiche Schritt der Anpassung eines Lebewesens an seine Umwelt entspricht einem Zuwachs an Information über jenes Milieu, das für es von Bedeutung ist. Lebende Systeme extrahieren Gesetzlichkeit; wie etwa unser Auge die Gesetze der Optik „wiedergebildet“ hat. Durch diesen biologischen Standpunkt wird der Erforschung des Erkenntnisphänomens jene Einschränkung genommen, die der philosophischen Untersuchung anhaftet. Es wird aus der Beschränkung auf die rationale Vernunft gelöst und zu einem Gegenstand der Evolution selbst. In der Philosophie begründet sich ja die rationale Vernunft durch sich selbst.

Logik durch sich selbst zu begründen, scheidet aus der Sicht und Arbeitsweise der Biologen aus. R. Riedl meint in seinem Buch, dass Biologie und Erkenntnis eine Einheit  der Methode liefern werden, in dem Sinn, dass  biologische Entwicklung und  Erkenntnisgewinn immer Hand in Hand gehen; man denke nur daran, wie einfache  Organismen zur Wahrnehmung ihrer Lebensprobleme gelangen.
Beobachtung und Experiment dienen der eigenen Gestaltung; Erkenntnis scheint biologisch vorprogrammiert. In der Biologie hat das Evolutionskonzept seit LAMARCK, LYELL und DARWIN schon zweieinhalb Jahrhunderte der Prüfung bestanden. Man spricht von
biologischer Verhaltensforschung, die einen stufenweisen Aufbau von Mechanismen nachgewiesen hat, deren Aufgabe es ist, den Organismen erfolgreiche Programme zur Entscheidungsfindung gegenüber immer komplexeren Zuständen und Ereignissen in ihrer Umwelt zu applizieren. „Leben selbst“, so folgert Konrad Lorenz, „ist ein erkenntnisgewinnender Prozeß.“ Er meint weiter, dass in der Datenverarbeitung und  - reizleitung die höheren Lösungsverfahren die niederen zur Voraussetzung haben, also auch deren Algorithmen fortsetzen. Ist dies womöglich der Grund, so frage ich mich, dass wir so gerne den Induktionsschluß anwenden, denn dieser ist bekanntermaßen angenehmer ...
Hier spreche ich aus Erfahrung, denn stufenweise zu verallgemeinern ist jener Weg, der gegen
-über der Deduktion instinktiv genommen wird, denn man kommt so stets leichter weiter.
Allerdings, so meine ich, stammen große Ideen von einem „Gespür für’s Ganze “ und damit
liegt den großen Ideen sicherlich die Deduktion eher zugrunde.
Die Frage, ob nicht unsere Denkmuster die Ursache jener Muster sind, mit welchen wir die  
Natur beschreiben; ob wir nicht unser Ordnungsverständnis in die Natur projizierten, weil
wir sie anders nicht denken können, beschäftigte schon Menschen des Altertums.
Durch das Auffinden der Systembedingungen der Evolution konnte dargelegt werden,
warum „Die Ordnung des Lebendigen“ in all ihren Strukturen jene Muster annimmt. Und da  
diese ungleich älter sind als die Methoden, sie wahrzunehmen und zu verrechnen, können nur die Naturmuster die Ursache der Denkmuster sein. Die ihnen gemäßesten Verrechnungen musste die Selektion ausgelesen haben. Somit ist die Ordnung der realen Welt die Voraussetzung, von ihr lernen zu können.
Das Kontinuum der Evolution ist in wohl jedem Forschungsgebiet wiederzufinden, im Gebiet der Molekülforschung genauso wie in Bereichen der Entwicklungsbeobachtung unserer Zivilisation, wobei gemeint ist, dass die Strategie darin besteht , den Zufall einzufangen und die resultierenden Strukturgesetze zu bewahren. Dieses „Order-on-Order-Prinzip“ wurde sehr genau von Erwin Schrödinger in der Natur erkannt und als Begriffswelt, die man gemeinhin als Heisenberg’sche Unschärfe Relation  für kleine Strukturen kennt, bekannt.
Unschärfe in der Lage und der Zeit ermöglicht trotzdem Genauigkeit in der Natur und somit wird ein wohldefinierter Aufbau der Materie ermöglicht, eine Voraussetzung für Vervielfältigung, für Reproduktion in Wechselwirkung mit der Umwelt. Gelingt es, die Genauigkeit der Reproduktion mit dem Grundprinzip der Selektion in Verbindung zu bringen, wenigstens, in einem sehr einfachen, beschreibenden Modell, so ist aus meiner Sicht der Erkenntnisgewinn auf rationaler mit der auf biologischer Grundlage in Zusammenhang gebracht.
Obengenanntes „Order-on-Order-Prinzip“ reicht durch die ganze Entwicklung der Organismen; und es setzt sich nach PIAGET in der Entwicklung des Kindes , nach LORENZ und EIBL-EIBESFELD im Verhalten des Erwachsenen, nach CHOMSKY und LENNEBERG in den Vorbedingungen der Sprache, und nach OTTO KOENIG im Phänomen der Tradierung kultureller Muster fort.
Aber auch der Erkenntnisvorgang per se ist ein Kontinuum, wie bereits von FREUD und JUNG geahnt, mit dem Hintergrund der vorbewussten Verrechnung. Aus wohl ähnlichen Überlegungen entwickelte der Psychologe BRUNSWICK die Vorstellung vom vernunftähnlichen, „ratiomorphen Apparat“; nun werden durch die Biologie der Erkenntnis obengenannte Begriffe naturwissenschaftlich fassbar. Man kommt so zur wohl interessantesten Aussage über Vernunft, nämlich, dass deren Grundvoraussetzungen sich wohl als angeboren erweisen. Das hat wieder Konrad Lorenz als einer der ersten gesehen;
Und in unmittelbarer Folge wurden durch DONALD CAMPELL in der Psychologie des Erkenntnisvorgangs, durch KARL POPPER in den Prozessen der Theorienbildung und durch ERHARD OESER in der Entwicklung der Wissenschaften selbst die entsprechenden Mechanismen deutlich. Der gesamte Prozeß der Evolution ist somit der Wissenschaft zugänglich geworden.

Die evolutionäre Theorie der Erkenntnis postuliert eine  Ansicht, dass unser bewusstes Erkenntnisvermögen der jüngste Überbau ist über einem Kontinuum von Erkenntnisprozes-    
-sen, das so alt ist wie das Leben auf diesem Planeten; diese wissenschaftliche Lehre über die menschliche Erkenntnis wird mit Hilfe der Evolutionstheorie bestimmt.
KANT stellte schon fest, dass dem Menschen von vorneherein (a priori) Kategorien wie Raum, Zeit und Kausalität zur Verfügung stehen, damit er zu Erkenntnissen kommen kann. Die evolutionäre Erkenntnistheorie erklärt dagegen allgemein diese Kategorien nicht a priori aus der Sicht des Individuums gegeben, sondern als a posteriori, d.h. stammesgeschichtlich, erworben durch über hunderte Millionen Jahre gehende evolutionäre Entwicklung von Sinnesorganen, Gehirnfunktionen, sowie sprachlichen und kulturellen Fähigkeiten.
Unser bewusstes Erkenntnisvermögen, als die jüngste Schichte der erkenntnisgewinnenden Prozesse, hat noch die geringste Prüfung der realen Welt erfahren. Das bewusste Erkenntnis
-vermögen in den Grundlagen seiner Vernunft ist eine Weiterentwicklung seiner Stammesgeschichte, dadurch wird eine Erforschung erst möglich. Im Gegensatz zu den verschiedenen philosophischen Erkenntnistheorien wird der Standpunkt außerhalb des Subjektes eingenommen und verschiedene Erkenntnismechanismen werden vergleichend aber auch ausgehend vom Begriff der Erwartung (siehe Kapitel 4,  Zwei Arbeitsweisen des Naturwissenschaftlers, die wenig Hoffnung erwecken  Die Hypothese vom anscheinend Wahren, der Begriff der Wahrscheinlichkeit als auch  Die Hypothese vom Vergleichbaren – eine biologische Theorie des Vergleichens   )  erforscht.
Aus der Sicht der Biologen werden Probleme, die auf der Ebene der Vernunft alleine nicht lösbar sind, objektiver dargestellt.

Mir erscheint es höchst interessant, mich mit meiner naturwissenschaftlich-technischen Ausbildung in Physik den Grundfragen der Erkenntnis zu nähern, als auch dem Problem der Realität, dem Problem des induktiven Schließens, der Haltung zur Kausaltät, zu Raum und Zeit.
Hier fällt es mir schwer, dem Grundgedanken der Erkenntnistheorie gerecht zu werden, nämlich dass Raum und Zeit Erkenntnisstrukturen sind, die sich in der Evolution in Anpassung an die Realität herausgebildet haben, d.h. dass sie deshalb wahrscheinlich auch Strukturen der Realität sind, da, wie ich im nächsten Abschnitt zu erläutern versuche, das Auge nicht die ideale Abbildung der Natur sein kann und mein Denken als abstraktes Auge Raum und Zeit wohl nur immer „gut abbgebildet“ aufnehmen kann.
  Dabei ist es für mich schwer aber zugleich auch Herausforderung, nicht meine Erfahrungen
mit Naturwissenschaft als „So ist es“ hinzustellen. Zum Beispiel habe ich bei meiner Statistik-
Ausbildung in England immer wieder gesehen, ich versuche, nicht den Imperativ anzuschlagen, dass die Gesetze im kleinsten unserer Welt allesamt „statistisch“ sind und dennoch ein Genaues und Ganzes im Makrokosmos bilden. Ich lebe, alle Vorgänge in meinen
Zellen sind mit Unsicherheiten behaftet und trotzdem lässt sich z.B: der Zuckerstoffwechsel
„eindeutig“ bestimmen. Ein Organismus entwickelt sich im Verlauf der Evolution in ständiger Wechselwirkung mit der Natur - die Erkenntnis ist biologisch determiniert und die Grundlagen der Vernunft sind (nach RIEDL und LORENZ)  angeboren – dann muß es doch auch in der Vernunft dieses Doppelleben von Ungenauigkeit und doch Genauigkeit geben,
wenn Vernunft als Überbau über der Biologie gesehen wird. Kann ich mir überhaupt noch selbst vertrauen, wenn Unsicherheit in jedem Eiweißmolekül meines Körpers steckt und die
Grundlagen meiner Vernunft aus der Biologie hervorgehen ?
Nur, wie nähert man sich dieser Fragestellung ?



2 . Das Auge – ein Messinstrument ?

Ich möchte mich nun kritisch mit der Frage beschäftigen, in welchem Ausmaß die Natur für
die Erkenntnis ihres eigenen Wesens sorgt:
„Leben selbst“, so können wir mit K. LORENZ resümieren, „ ist ein erkenntnisgewinnender Prozess“. Dabei geht es bei diesem Gewinn an Erkenntnis nicht etwa um einen Drang zur Wahrheit, sondern ebenso trivial wie pragmatisch um den unmittelbaren Lebenserfolg, eine jeweils positivere Bilanz aus Erfolg und Misserfolg. Es geht um das, was wir als Vernunft oder Zweckmäßigkeit erleben. Dabei setzt diese triviale Pragmatik dem Prozess keine anderen Grenzen, als eben nur dasjenige als Erkenntnis zu speichern, was sich als erforderlich zeigt und bewährt. Das ist das Vernünftigste an der Sache; und die erstaunlichsten Höhen und Gewissheiten der Erkenntnis werden dadurch erreicht.
Dies ist der Grund, warum das Auge sonnenhaft ist. GOETHE hat das vorausgesehen. Es könnte ansonsten nicht sehen. Es wurde, wie wir heute wissen, von den Mechanismen der Evolution dazu geführt, „alle“ einschlägigen Gesetze der Optik der Natur zu extrahieren.
Linse, Linsenbewegung, Blende, Blendenverstellung, Brennebene, Abschirmung, alles wird entwickelt; wie im besten optischen Instrument, höchst vernünftig und mit Akribie.
Es ist also sehr berechtigt, wie das schon KANT vorschwebte, den vernünftigen Plan zu deuten, welchen die schaffende Natur (die man früher Vorsehung nannte) mit der Menschheit verfolgt. Und wir können getrost fragen, wo nun mehr Vernunft, mehr Lebenserfolg zu finden wäre; in der vorbewussten oder in der bewussten Vernunft (vorbewusste Vernunft wird gewährleistet durch angeborene Verrechnungsweisen des ratiomorphen Apparates, bewusste Vernunft ist eine „dem Menschen eigene Reflexionsmöglichkeit“, allerdings begründen die Erkenntnisbiologen diese Ratio ohne den entscheidenden Begriff Indeterminismus). Eine Frage, die ja von vielen Denkern gestellt worden ist. ROUSSEAU hielt es mit dem vorbewussten, KANT mit dem bewussten Anteil. Doch alle Naturanlagen eines Geschöpfes, so räumt auch Kant ein, sind bestimmt, sich einmal vollständig und zweckmäßig zu entwickeln. So beruht alle lebendige Struktur auf einer Extraktion und strukturellen Entsprechung der für sie das Überleben fördernden Naturgesetze. Leben ist Fressen von Ordnung, sagte schon Erwin Schrödinger, von Information, sagt K LORENZ. Das gilt für jede Einzelstruktur, von der Körperform über alle Bauteile bis zur Position der Moleküle, und von den einfachsten bis zu den komplexesten Strukturen des Verhaltens. Die für den Lebenserfolg entscheidenden Gesetzmäßigkeiten des Milieus werden durch Versuch und Irrtum nachgebildet, dem Erbmaterial kodiert eingebaut und von dessen Aufbau- und Betriebsanleitungen in Raum- und Zeitstrukturen wieder ausgeformt. Man denke nur, mit welcher Genauigkeit die Form des Delphins die Gesetze der Hydromechanik, die Knochenbälkchen die Gesetze der Spannungskräfte oder die Zellmembran die Gesetze der Osmose abbilden.
  In meiner naturwissenschaftlichen Tätigkeit erscheint mir jedes Messgerät als erdachtes Auge, eine Art Boot, sehr gut angepasst an Meeresströmungen und Gezeiten, jedoch unfähig
eine „triviale“ Erscheinung wie die Wellenbewegung des Wassers an der Oberfläche in
Form einer Transversalwelle und im Inneren als Longitudinalwelle auch nur annähernd zu erklären.
Wir können nicht wissen, das schließe ich aus meinem vorangegangenen Boots-Beispiel, ob das Auge die Gesetze der Optik wirklich 1:1 nachgebildet hat ! Die Biologen gehen hier von
einer unbeweisbaren Behauptung aus.
Gerade die Vorgabe durch das Auge, wie ich die Natur zu sehen habe, ist für mich faszinierende Naturwissenschaft aber dennoch auch eine wohl unüberwindbare Hürde, die
möglicherweise, nun bezogen auf meine Ratio, als unsichtbar von der Natur konstruiertes Auge, mein Denken vorgeprägt sein lässt, wenn eben jenes Denken nur „angepasst an Meeresströmungen“ ist, aber genauere Erscheinungen der „objektiven“ Welt gar nicht wahrnehmen und damit erklären kann!



3. Bringt die Quantentheorie die exakte Begründung für die Indeterminiertheit der
Gehirnprozesse  ?


Es gibt eine Reihe von Wissenschaftlern, die das Leib-Seele-Problem mit Hilfe der Quantentheorie lösen wollen. Philosophen reagieren auf diese Idee zwar meist eher ablehnend (vgl. z.B. CHALMERS1995a und 1995b, Grush/Churchland 1995, Ludwig 1995), aber immerhin gehören zu den Proponenten einer quantentheoretischen Lösung des Leib-Seele-Problems so illustre Persönlichkeiten wie JOHN ECCLES, HENRY MARGENAU, HENRY P. STAPP und ROGER PENROSE. Die Theorien dieser Wissenschaftler unterscheiden sich zum Teil recht erheblich voneinander. Bei JOHN ECCLES beispielsweise findet man einen relativ traditionellen Leib-Seele-Dualismus, der lediglich durch die These gewürzt ist, daß der Geist die Wahrscheinlichkeit des Eintretens neuronaler Prozesse verändert (vgl. Eccles 1994). Dabei denkt Eccles vor allem an die Emission von Neurotransmittern an den Synapsen. Auf welche Weise freilich der Geist die Emissionswahrscheinlichkeit verändern soll, bleibt ein Rätsel. Eine quantentheoretische Erklärung der Existenz des Geistes ist dies natürlich auch nicht, dafür agiert der Geist bei Eccles viel zu selbständig.

Roger PENROSE: "Der Geist existiert nicht unabhängig vom Gehirn, sondern geht aus diesem hervor"

Roger PENROSE ist der Quantentheoretiker der Seele, der in den letzten Jahren am meisten von sich reden gemacht hat, unter anderem durch die Publikation zweier Bücher ("Computerdenken" und "Schatten des Geistes"). PENROSE vertritt im Gegensatz zu ECCLES die unter Naturwissenschaftlern zweifellos populärere These, daß der Geist nicht unabhängig vom Gehirn existiert, sondern aus diesem hervorgeht (vgl. PENROSE 1995). Verantwortlich dafür sind seiner Meinung nach Quantenprozesse in Mikrotubuli – das sind Röhren mit einem inneren Durchmesser von 14 Nanometern, die die Nervenzellen durchziehen (vgl. PENROSE 1995, Kap. 7). (Diese Idee hat PENROSE von Stuart Hameroff übernommen; vgl. Hameroff 1994).
Die Theorie, die laut PENROSE die Quantenprozesse in den Mikrotubuli beschreiben soll, ist allerdings noch nicht erfunden. Es handelt sich dabei nämlich um jene Quantentheorie der Gravitation, die zwar fieberhaft gesucht, aber noch nicht in Sicht ist.


Kritik an der Idee von PENROSE

Die PENROSE´sche Lösung des Leib-Seele-Problems ist reichlich spekulativ, und zwar nicht nur deshalb, weil sie sich auf eine physikalische Theorie bezieht, die es noch gar nicht gibt, sondern auch, weil sie von ungesicherten neurobiologischen Hypothesen ausgeht. Denn tatsächlich weiß man heute noch zu wenig über die Funktion der Mikrotubuli. Offenbar stützen Mikrotubuli die Nervenfasern, und wahrscheinlich transportieren sie an ihrer Außenseite Neurotransmitter und Proteine. Die Hypothesen von PENROSE gehen aber weit darüber hinaus: Er meint, daß die Mikrotubuli die Stärke synaptischer Verbindungen beeinflussen (was wieder an Eccles erinnert). Die Quantenprozesse in den Mikrotubuli hätten demnach Auswirkungen auf die Emission von Neurotransmittern an den Synapsen.
Diese Behauptung ist ziemlich fragwürdig. Die von PENROSE postulierten Quantenprozesse in den Mikrotubuli können nur dann auftreten, wenn das System von der Umwelt energetisch isoliert ist. Das ist bei den Mikrotubuli aber wohl nicht der Fall. Auch Verunreinigungen des Wassers in den Mikrotubuli könnten sich störend auswirken. Und was den angeblichen Einfluß auf die synaptische Aktivität angeht, so ist weitgehend unklar, wie dieser vor sich gehen soll. Tatsächlich enden die Mikrotubuli so weit vor der Synapse (vgl. Grush/Churchland 1995, 244), daß die Existenz eines solchen Einflusses zweifelhaft erscheint.



Kann eine Quantentheorie des Gehirns die Entstehung des Bewußtseins erklären?

Diese Einwände gegen die Mikrotubuli-Theorie werden eifrig diskutiert (selbstverständlich haben PENROSE und HAMEROFF sich dagegen zur Wehr gesetzt; vgl. PENROSE/HAMEROFF 1995). Als Nichtfachmann in der Neurobiologie fühle ich mich außerstande zu entscheiden, wer hier recht hat. Doch im Grunde haben die erwähnten Einwände auch nichts mit Philosophie zu tun. Es geht dabei um rein naturwissenschaftliche Fragen. Aus philosophischer Sicht ist ein anderer Punkt viel interessanter: Nehmen wir an, alles, was PENROSE über die Quantentheorie des Gehirns sagt, wäre richtig. Wäre das die Lösung des Bewußtseinsproblems? Höchstwahrscheinlich nicht. Es gibt nämlich gute Gründe gegen die Annahme, daß die Quantentheorie oder irgendeine andere physikalische Theorie, die sich mit Gehirnfunktionen beschäftigt, die Entstehung des Bewußtseins erklären könnte.

Philosophische Argumente gegen die physikalische Erklärung von Bewusstsein

Die meisten philosophischen Argumente gegen die physikalische Erklärung des Bewußtseins lassen sich zwei Typen zuordnen. Argumente des ersten Typs (beispielsweise das berühmte "chinesische Zimmer" von John Searle) gehen von der Intentionalität des Bewußtseins aus und versuchen den Nachweis, daß diese Intentionalität nicht auf die Physis reduzierbar ist. "Intentionalität" ist aber ein reichlich mysteriöser Begriff, deshalb halte ich diesen Weg für weniger zielführend – ein Skeptiker kann darauf immer so reagieren, daß er die Existenz der Intentionalität schlicht und einfach leugnet.


Innere, subjektive Erlebnisse enthalten immer mehr Informationen als eine rein physikalische Beschreibung des Gehirns

Mehr Erfolg versprechen meiner Meinung nach die Argumente des zweiten Typs, die bei der subjektiv erlebten Qualität von Bewußtseinszuständen ansetzen. Der Philosoph, der diesen Standpunkt vielleicht am vehementesten vertreten hat, ist THOMAS NAGEL(vgl. 1992, 47 ff.). Nagel hat auf den folgenden Umstand hingewiesen: Selbst wenn man alles über das Nervensystem eines mit Bewußtsein begabten Wesens weiß, so weiß man damit noch lange nicht, wie sich diesem Wesen das eigene Bewußtsein aus der Innenperspektive darstellt. Selbst wenn ich die neurologische Basis von Schmerzzuständen ganz genau kenne, so weiß ich damit noch lange nicht, was Schmerz ist, solange ich nicht selbst Schmerz fühle. Da die Subjektivität, der phänomenale Gehalt des Bewußtseins, also immer mehr Informationen enthält als eine rein physikalische Beschreibung des Gehirns enthalten könnte, kann diese physikalische Beschreibung allein die Existenz und Beschaffenheit des Bewußtseins nicht erklären. Argumente dieser Art werden manchmal unter dem Titel "Argument des unvollständigen Wissens" zusammengefaßt (vgl. Metzinger 1996, Teil 4), weil sie letztlich darauf hinauslaufen, daß rein physikalisches Wissen über das Gehirn unvollständig ist.
Ich halte diese Argumentationsstrategie für überzeugend: Keine physikalische Theorie, und damit auch nicht die von PENROSE erträumte Quantentheorie der Gravitation, kann erklären, wie aus dem Gehirn so etwas wie subjektives Erleben entsteht, wie es kommt, daß wir aufgrund von Gehirnprozessen Sinneseindrücke haben. Denn eine physikalische Theorie beschreibt immer nur die physische Seite des Geschehens, aber nicht die subjektive Seite, das Bewußtsein.


"Leichte Probleme", die die Funktionsweise des Gehirns betreffen, lassen sich höchstwahrscheinlich mit Hilfe der Neurobiologie lösen


DAVID CHALMERS hat die Sache auf den Punkt gebracht, als er das "schwierige Problem" (hard problem) des subjektiven Erlebens von den diversen "leichten Problemen" (easy problems) unterschied (CHALMERS1995a). Die "leichten Probleme" sind laut CHALMERS für wissenschaftliche Theorien grundsätzlich lösbar, denn sie betreffen alle die Funktionsweise des Gehirns. Es geht dabei immer um die Frage, wie das Gehirn bestimmte kognitive Aufgaben ausführt. Zu den "leichten Problemen" gehört beispielsweise die Frage der unbewußten Verarbeitung sensorischer Informationen durch das Gehirn – ein gutes Beispiel dafür ist die Erzeugung räumlicher Wahrnehmung aus zweidimensionalen Netzhautbildern. Ein weiteres "leichtes Problem" betrifft die Fähigkeit des Gehirns, Gedächtnisinhalte abzuspeichern und bei der richtigen Gelegenheit wieder abzurufen. Andere Beispiele sind die unbewußte Kontrolle von Körperbewegungen, die Wirkungsweise von Drogen oder das Zusammenspiel von "Emotion" und "Ratio", d.h. von limbischen und cortikalen Gehirnstrukturen, das für vernünftiges, sozial angemessenes Verhalten notwendig ist.

Das "schwierige" Problem des subjektiven Erlebens ist jedoch durch physikalische Theorien grundsätzlich nicht lösbar

All dies sind "leichte Probleme", was natürlich nicht heißen soll, daß sie tatsächlich leicht zu lösen sind oder überhaupt jemals gelöst werden. Ja, es kann durchaus sein, daß viele davon niemals gelöst werden – beispielsweise deshalb, weil nicht genügend Forschungsgelder zur Verfügung stehen. Doch es ist zumindest prinzipiell möglich, diese Probleme mit wissenschaftlichen Methoden zu lösen, denn es geht dabei letztlich um Gehirnfunktionen, die von der Neurobiologie entschlüsselt werden können. Die "leichten Probleme" unterscheiden sich dadurch vom "schwierigen Problem" des Bewußtseins, denn letzteres ist durch physikalische Theorien grundsätzlich nicht lösbar – auch nicht durch die Quantentheorie.



Das Problem der Willensfreiheit

Wenn die Quantentheorie aber auch nicht das Bewußtseinsproblem lösen kann, vielleicht kann sie etwas zu Klärung eines der "leichten Probleme" beitragen? Auch unter diesen befinden sich ja viele Probleme, die für die Philosophie von großer Bedeutung sind – etwa die Erzeugung räumlicher Wahrnehmung oder die Funktion des Gedächtnisses. Ein anderes in philosopischer Hinsicht höchst bedeutsames Problem, das häufig mit der Quantentheorie in Verbindung gebracht wird, ist das Problem der Willensfreiheit (vgl. Willens- und Handlungssfreiheit in der Einleitung). Die Quantentheorie ist bekanntlich eine indeterministische Theorie. Sehr viele Menschen glauben aber – gestützt auf eine lange philosophische Tradition –, daß Freiheit und Indeterminismus miteinander in Zusammenhang stehen. Deshalb liegt es für sie nahe, die Lösung des Problems der Willensfreiheit in der Quantentheorie zu suchen.


Sehen wir uns zunächst einmal an, wie sich dieses Problem heute aus der Sicht der "klassischen", also nicht quantentheoretischen Neurobiologie darstellt: Seit langem ist bekannt, daß Sekunden vor dem Ausführen einer Willkürbewegung ein charakteristisches Gehirnpotential von 10-15 mV meßbar ist. Es wird als "Bereitschaftspotential" ("Readiness-potential") bezeichnet (Kornhuber/Deecke 1965) und durch neuronale Aktivitäten vor allem im prämotorischen und supplementär-motorischen Cortex erzeugt.


In jenem Moment, an dem ich eine bewußte Entscheidung treffe, hat offenbar mein Gehirn diese Entscheidung schon kurze Zeit vor mir getroffen


     In den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts haben psychologische Experimente von BENJAMIN LIBET und seinen Mitarbeitern gezeigt, daß das Bereitschaftspotential nicht nur der Handlung, sondern auch dem bewußt erlebten Entschluß, die Handlung auszuführen, vorausgeht (Libet et al. 1983). Untersucht wurden einfache spontane Handlungen wie das Krümmen eines Fingers oder das Beugen des Handgelenks. Die Versuchspersonen erhielten die Anweisung, sich anhand eines rotierenden Zeigers den Zeitpunkt zu merken, zu dem sie den Entschluß zur Ausführung der Handlung gefaßt hatten. Das Bereitschaftspotential war mehrere hundert Millisekunden vor dem von den Versuchspersonen angegebenen Zeitpunkt meßbar.


Argumente für und gegen den Determinismus

Daraus kann man den Schluß ziehen, daß der Entschluß, und in weiterer Folge die Handlung selbst, durch neuronale Prozesse, die der handelnden Person selbst nicht bewußt sind, determiniert ist. Dieser Schluß ist zwar plausibel, zwingend ist er aber natürlich nicht. LIBET selbst glaubt, daß das Bewußtsein zumindest ein "Veto" gegen die Ausführung der Handlung einlegen kann (Libet 1985, 538). Es gibt aber auch noch andere offene Probleme im Zusammenhang mit der Interpretation der Experimente. Unter anderem leidet ihre Aussagekraft darunter, daß der Entschluß mit dem Bewußtwerden des Entschlusses identifiziert wird. Anders ausgedrückt: Die Versuchspersonen gaben den Zeitpunkt an, zu dem sie ihre Absicht, die Handlung auszuführen, bemerkten. Die Absicht selbst, der Entschluß, könnte aber schon vorher dagewesen sein.
  
Trotz dieser offenen Fragen sind Libets Experimente aber zweifellos Wasser auf die Mühlen des Determinismus, insbesondere auf jene Mühlen der Vertreter der evolutionären Erkenntnistheorie, die sämtliche kognitiven Leistungen als stammesgeschichtlich erworben sehen. Ein Determinist kann sie mit gutem Recht als Rechtfertigung für die These heranziehen, daß der Wille durch das Gehirn determiniert wird. Und wer der Meinung ist, daß Determinismus und Freiheit nicht miteinander vereinbar sind (weil Freiheit entweder identisch ist mit Indeterminiertheit oder diese zumindest voraussetzt), muß Libets Experimente auch als Angriff auf die Existenz der Willensfreiheit sehen.

Die Quantentheorie als Einwand gegen den Determinismus?

Quantenprozesse können bei makroskopischen Objekten wie dem Gehirn normalerweise vernachlässigt werden


Hier könnte die Quantentheorie Abhilfe schaffen und das Gespenst des Determinismus vertreiben. Dabei ergibt sich aber die folgende Schwierigkeit: Selbstverständlich liegen auch den von Libet registrierten Gehirnprozessen indeterministische Quantenprozesse zugrunde, denn das Gehirn besteht ja aus Atomen und Elementarteilchen, die typische Quantenobjekte sind. Aber die Gehirnprozesse selbst sind keine Quantenprozesse. Typische Objekte der Quantentheorie sind sehr klein. Der Radius eines Atoms liegt zwischen 10-9 und 10-8 cm, der eines Atomkerns oder Elektrons zwischen 10-13 und 10-12 cm. Die neurobiologische Beschreibung des Gehirns findet aber für gewöhnlich in Größenordnungen statt, die einige Dimensionen darüber liegen: nicht auf der Ebene der Atome und Elementarteilchen, sondern auf der von Zellen und deren Bestandteilen (Zellkernen, Dendriten, Membranen usw.), von Zellpopulationen und größeren anatomischen Einheiten des Gehirns. Dabei handelt es sich um Objekte, die im Vergleich zu Atomen und Elementarteilchen "makroskopisch" sind und deshalb mit "klassischen" physikalischen Theorien beschrieben werden können. Es ist aber eine bekannte Tatsache, daß bei makroskopischen Objekten die Quantentheorie vernachlässigt werden kann. Man kann beispielsweise den freien Fall eines Körpers korrekt mit Hilfe der klassischen Mechanik beschreiben, ohne daß man auf die quantenmechanischen Prozesse, die während des Falls in seinem Inneren ablaufen, achten müßte; ebenso kann man ohne quantentheoretisches Wissen berechnen, wie der elektrische Widerstand eines Drahtes bei Zimmertemperatur von dessen Querschnitt abhängt.

Ähnliches gilt auch für die elektrischen und chemischen Prozesse im Gehirn. Es ist auf den ersten Blick schwer zu erkennen, wie sich der Indeterminismus der Quantentheorie überhaupt auf diese physikalischen Vorgänge auswirken soll. Wie könnten sich beispielsweise die Quantenzustände der Atome, aus denen eine Zelle besteht, auf den elektrischen Zustand dieser Zelle auswirken?

Allerdings könnte es Bestandteile von Nervenzellen geben, die für Quanteneffekte empfindlich sind, laut PENROSE sind das die sog. "Mikrotubuli"

     Auf diese Frage gibt es zwei mögliche Antworten. Zum einen könnte es Bestandteile von Nervenzellen geben, die so klein sind, daß sie für Quanteneffekte empfindlich sind, und die gleichzeitig eine so wichtige Funktion in der Zelle besitzen, daß sie deren Verhalten entscheidend beeinflussen. Damit wären wir wieder bei den Mikrotubuli. Der Durchmesser der Mikrotubuli liegt im Nanometerbereich (ein Nanometer entspricht 10-7 cm). Damit ist er zwar um einiges größer als der von Atomen und Elementarteilchen, inzwischen konnten jedoch in Experimenten quantentheoretische Zustandsüberlagerungen nachgewiesen werden, bei denen die Ortsunschärfe eines einzelnen Atoms bei ungefähr 80 Nanometern lag (vgl. Monroe et al. 1996). Trotz ihrer Größe könnten Mikrotubuli also für Quanteneffekte empfindlich sein.
Ob sie allerdings tatsächlich jene wichtige Funktion in der Zelle ausüben, die ihnen PENROSE zuschreibt, das ist, wie ich schon erwähnt habe, fraglich. Aber zumindest zeigt die Mikrotubuli-Hypothese, wie ein Versuch, die Willensfreiheit mittels der Quantentheorie zu erklären, aussehen könnte: Man muß irgendwelche funktionalen Bestandteile von Nervenzellen finden, die einerseits so klein sind, daß sie zum Schauplatz von Quantenprozessen werden können, und die andererseits die makroskopische Funktion des Gehirns entscheidend beeinflussen. Daß die Mikrotubuli wohl eher nicht die gesuchten Zellbestandteile sind, spricht nicht unbedingt gegen die zugrundeliegende Idee. Es könnte andere Zellbestandteile geben, die entweder noch unbekannt sind oder deren Funktion noch nicht erkannt wurde.


Vielleicht kann die Chaostherie den freien Willen erklären?

Die zweite Antwort auf die Frage, wie sich Quantenprozesse auf makroskopische Gehirnvorgänge auswirken können, geht von der Chaostheorie aus. Es gibt heute einige Gehirnmodelle, die die Hypothese beinhalten, daß im Gehirn chaotische Prozesse ablaufen (vgl. Briggs/Peat 1990, 251-265; Kane 1996, 128 ff.; Garson 1995). Chaotische Prozesse sind zwar deterministisch, aber es sind Prozesse, bei denen kleine Ursachen große Wirkungen haben. Chaos im Gehirn könnte also quantenmechanische Effekte so weit "verstärken", daß diese auch im makroskopischen Bereich "spürbar" werden. Diese Hypothese sagt noch nichts darüber aus, welche Quantenprozesse hier im Spiel sind und durch welche chaotischen Gehirnprozesse sie verstärkt werden. Die Vorschläge der Chaostheoretiker unterscheiden sich hier sehr stark voneinander. Manche beschäftigen sich mit einzelnen Gehirnfunktionen (beispielsweise dem Gedächtnis), andere versuchen eher globale Eigenschaften des Gehirns zu erfassen. Viele der chaostheoretischen Vorschläge sind außerdem nur anhand von Computermodellen, nicht aber an realen Gehirnen erprobt worden. Es ist also viel zu früh, um ein sicheres Urteil über die Chaostheorie des Gehirns zu fällen. Doch immerhin zeigt diese Idee, wohin der Weg führen könnte. Die Hypothese des chaotischen Gehirns gibt uns zumindest eine Vorstellung davon, wie der Indeterminismus der Quantentheorie für die Indeterminiertheit des Willens sorgen könnte.


Angenommen, Gehirnprozesse sind tatsächlich nicht völlig vorherbestimmt, würde das schon den freien Willen erklären?

Ob Mikrotubuli oder Chaos, in beiden Fällen handelt es sich eher um visionäre Konzepte als um fertige wissenschaftliche Theorien. Das allein gibt natürlich Anlaß zur Skepsis, ob hier wirklich der Schlüssel zum Freiheitsproblem liegt. Ähnlich wie beim Bewußtseinsproblem sind aber auch hier die naturwissenschaftlichen Probleme aus philosophischer Sicht weniger interessant. Es soll wieder versuchsweise vorausgesetzt werden, daß die naturwissenschaftlichen Prämissen richtig sind, und es soll die Frage anschließen, ob aus diesen Prämissen die philosophische Konklusion – die Lösung des Freiheitsproblems – überhaupt folgt.Man kann also annnehmen, es gäbe eine befriedigende wissenschaftliche Theorie, die impliziert, daß Gehirnprozesse nicht determiniert sind. Diese Theorie könnte mehr der Mikrotubuli-Hypothese oder mehr der chaostheoretischen Hypothese folgen – das ist im Augenblick nicht von Belang. Ja, es ist nicht einmal von Belang, ob der Indeterminismus quantentheoretisch begründet wird oder auf irgendeine andere Weise. Wichtig ist nur die Annahme, daß Gehirnprozesse nicht determiniert sind.


Quanten- oder Chaostheorie erklären zwar, daß im Gehirn auch Platz für Zufallsereignisse sein könnte, aber wenn ich eine bewußte Entscheidung treffe, dann ist das mehr als nur ein Zufallsereignis, es ist Selbstbestimmung     


Folgt aus dieser Annahme, daß der menschliche Wille frei ist? Nein, denn Willensfreiheit – wenn sie überhaupt existiert – ist nicht Indeterminiertheit, sondern Selbstbestimmung. Mein Wollen, d.h. meine Wünsche, meine Entscheidungen, meine Entschlüsse sind frei, wenn ich selbst bestimme, was ich wünsche, wofür ich mich entscheide bzw. entschließe. Wenn Freiheit Indeterminiertheit wäre, so wäre sie ein Spiel des Zufalls (vgl. Nozick 1981, 292; Garson 1995, 67 f.). Was ich will oder nicht will, wäre dann in einem hohen Maße nicht von mir, sondern vom Zufall abhängig. Ich selbst könnte nicht bestimmen, was ich will. Das ist ein alter Einwand gegen den Indeterminismus. Schon Schopenhauer schrieb in der "Preisschrift über die Freiheit des Willens": "Unter Voraussetzung der Willensfreiheit wäre jede menschliche Handlung ein unerklärliches Wunder – eine Wirkung ohne Ursache. Und wenn man den Versuch wagt, ein solches liberum arbitrium indifferentiae sich vorstellig zu machen; so wird man bald innewerden, daß dabei recht eigentlich der Verstand stillesteht" (Schopenhauer 1993, 565). Weil Schopenhauer aber am indeterministischen Freiheitsbegriff festhielt, schloß er daraus, daß Freiheit nicht existiert. Man kann den Zufalls-Einwand aber ebensogut als Hinweis darauf verstehen, daß Freiheit nicht allein Indeterminiertheit ist, sondern mehr.

Indeterminismus ist zwar notwendig, aber noch nicht hinreichend für Willensfreiheit

Die meisten Philosophen, die einen indeterministischen Freiheitsbegriff vertreten, halten Indeterminiertheit zwar für notwendig, aber nicht für hinreichend für Willensfreiheit. Sie bemühen sich daher, zusätzliche Bedingungen zu formulieren. Am häufigsten werden dabei zwei weitere Faktoren genannt: Rationalität und Selbstbestimmung. Schon Leibniz (1710, 320) zählt in der "Theodizee" drei Bedingungen auf, die zusammen Freiheit ausmachen: Er spricht von "Zufälligkeit, d.h. dem Ausschluß logischer und metaphysischer Notwendigkeit", "Intelligenz" (= Rationalität) und "Spontaneität" (= Selbstbestimmung). In einem modernen Gewand findet man diese drei Bedingungen auch bei einem der bedeutendsten zeitgenössischen Verteidiger eines indeterministischen Freiheitsbegriffs, Robert Kane (vgl. 1996). Er nennt die Indeterminiertheit – die er im übrigen quanten- und chaostheoretisch begründet –, die Rationalität und schließlich die "Kontrolle", die eine Person über ihre Handlungen ausübt.
Ist mit der Angabe dieser drei Bedingungen das Wesen der Freiheit erfaßt? Das kommt darauf an, was man unter "Rationalität" und "Selbstbestimmung" versteht. Vor allem kommt es darauf an, ob es sich dabei um naturalistische Begriffe handelt. Denn denkt man genauer über Freiheit nach, so stellt man fest, daß "Freiheit" kein naturalistischer Begriff sein kann.
Aus der Sichtweise der Erkenntnisbiologen ist rationale Vernunft funktionell durch den ratio-
morphen Apparat vorbestimmt. Somit widerspricht die biologische Argumentation der philo-sophischen, wie noch deutlicher argumentiert wird. Somit wäre auch der Wille durch das Gehirn determiniert.


Freiheit ist mehr als Zufall oder Notwendigkeit       

THOMAS NAGEL(1992, 191) hat gezeigt, daß Handlungen und Willensregungen nicht frei sein können, wenn wir sie lediglich als etwas Objektives, als Teil der Natur betrachten. Denn wenn wir dies tun, so betten wir sie ein in ein Geflecht von Gesetzmäßigkeiten, die zusammen mit diversen Variablen und Randbedingungen bestimmen, was wir wollen und was wir tun. Dabei spielt es im Grunde gar keine Rolle, ob diese Gesetze deterministisch oder nicht-deterministisch sind. Es mag sein, daß die Bedingungen, die, sagen wir, zehn Jahre vor meiner Geburt geherrscht haben, mein jetziges Handeln eindeutig determinieren; es mag aber auch sein, daß diese Bedingungen meine Handlung nur zu 60% wahrscheinlich machen – beides ist gleich seltsam. Im indeterministischen Fall wäre mein Handeln eben das Produkt von indeterministischen Gesetzen und einer gehörigen Portion Zufall. Aber Zufall ist eben noch keine Freiheit, wie schon Schopenhauer bemerkt hat.
    Freiheit ist mehr als Zufall oder Notwendigkeit, und dieses Mehr erschließt sich erst dann, wenn man den Menschen nicht nur als natürliches Wesen sieht, das von deterministischen oder indeterministischen Naturgesetzen beherrscht wird. Für Nagel offenbart sich Freiheit erst aus einem subjektiven Blickwinkel, aus der Innenperspektive des Menschen, der sich selbst als freies Wesen erlebt. Für Leibniz und Kane offenbart sich Freiheit, wenn man auch Rationalität und Selbstbestimmung ins Auge faßt. Rationalität und Selbstbestimmung helfen aber nur dann weiter, wenn diese Begriffe nicht naturalistisch mißverstanden werden, denn es kommt ja gerade darauf an, die "objektive", naturalistische Perspektive zu verlassen.


Rationalität und Selbtbestimmung müssen nicht-physikalisch beschrieben werden können


Es ist klar, daß Leibniz dies getan hat, denn seine prästabilierte Harmonie von Körper und Seele ist alles andere als ein naturalistisches Konzept (allerdings eines, bei dem die Existenz der Freiheit durch eine nicht-naturalistische Form des Determinismus in Frage gestellt wird – auf die internen Schwierigkeiten von Leibniz' System soll hier jedoch nicht näher eingegangen werden). Robert Kane wiederum gibt ebenfalls zu, daß freier Wille nichts anderes wäre als Zufall, wenn die physikalische Beschreibung des Willens die einzig legitime wäre. Ein Entschluß mag zwar ein physisches Ereignis im Gehirn sein, aber was Rationalität und Selbstbestimmung angeht, muß dieses Ereignis nicht-physikalisch beschrieben werden können – eben als Entschluß, etwas Bestimmtes zu tun. Als Entschluß zeigt sich das Ereignis aber nur aus der subjektiven Perspektive des individuellen Erlebens (vgl. Kane 1996, 147).



Der freie Wille ist nur dann erklärbar, wenn die Grenzen der physikalischen Beschreibung des Menschen überschritten werden     

Als Fazit läßt sich somit festhalten, daß ein indeterministischer – quantentheoretischer – Freiheitsbegriff nur dann haltbar ist, wenn die Grenzen der physikalischen Beschreibung des Menschen überschritten werden. Freiheit ist sicherlich nicht allein Indeterminiertheit, es gehören auch Faktoren wie Selbstbestimmung und Rationalität dazu; wobei "Selbstbestimmung", "Rationalität" und damit "Freiheit" nicht als naturalistische Begriffe mißverstanden werden dürfen. Das wirft die Frage auf, wie die nicht-naturalistischen Begriffe der Selbstbestimmung und der Rationalität mit dem naturalistischen Begriff der quantentheoretischen Indeterminiertheit in Einklang zu bringen sind. Wie läßt sich das naturalistische Bild vom Menschen, dessen Entscheidungen quantentheoretisch unterbestimmt sind, mit dem nicht-naturalistischen Bild des rationalen, seine Handlungen selbstbestimmenden Menschen vereinbaren? Ich glaube nicht, daß diese Frage jemals zufriedenstellend beantwortet wurde. Die Geschichte der Philosophie erweckt vielmehr "den Eindruck, daß wir es bei der Freiheit mit einem Gegenstand zu tun haben, über den noch niemand etwas gelehrt hat, das geeignet wäre, auch nur in die Nähe der Wahrheit zu gelangen." (Nagel 1992, 237) Und wahrscheinlich werden wir auf die Wahrheitsnähe auch in Zukunft verzichten müssen.
Wahrheit, ein Begriff mit dem viel zu oberflächlich und vorschnell argumentiert wird, soll
teilweiser Inhalt des folgenden sein, wobei ich von der Begrifflichkeit der evolutionären Erkenntnisbiologen ausgehe, um dann auf meine eigene Meinung zu kommen.
Der daran  anschließende Paragraph ist der Methode des Vergleichens gewidmet, da Vergleich und Wahrscheinlichkeit die sicherlich wichtigsten Methoden darstellen, wenn man sich mit Hilfe der Statistik als auch des experimentellen Messvorganges Begriffen wie Quantenobjekt und Chaostheorie widmet.


4.  Zwei Arbeitsweisen des Naturwissenschaftlers, die wenig Hoffnung erwecken

        Die Hypothese vom anscheinend Wahren, der Begriff der Wahrscheinlichkeit    


Im Bereich des mikrophysikalischen Zustandes dominiert der Begriff der Erwartung eines
solchen Zustandes. Die Quantenphysik bemüht sich um die letztendliche Erkenntnis der im
Realismus vorausgesetzten Substanz der Materie. Die mathematische Wellenfunktion, die sich in der  empirischen Anwendung hervorragend bewährt hat, liefert nur Wahrscheinlichkeiten für das Erscheinen eines Quantenobjektes und ermöglicht darin die idealistische Interpretation.
Unter Indeterminismus wird allgemein weltanschaulich eine Grundeinstellung verstanden, welche von dem Postulat ausgeht, dass der Geschehensablauf der Natur prinzipiell akausale Elemente enthält, dass es also den „objektiven“ oder „realen“ Zufall gibt. Unterstützt wird diese Anschauung vielfach durch jene Interpretation quantenphysikalischer Prozesse, welche von der Tatsache, dass bei bestimmten Ereignissen eine Ursache nicht festgestellt werden kann, darauf schließt, dass eine solche Ursache auch nicht vorliegt oder nicht vorliegen kann. Im Determinismus, dies sei nur allgemein erwähnt, wird der Zufall subjektivistisch aufgefasst.
      
Die Biologen legen der Erwartung drei Voraussetzungen zu Grunde: die Annahme, dass gewisse Ereignisse wahrscheinlich wieder beobachtbar wären, folglich die Annahme der Wiederkehr von Ordnungsformen in dieser Welt, und damit die Annahme einer anscheinend realen Welt. Die Hypothese vom anscheinend Wahren enthält die Erwartung, dass sich manche gemachte Erfahrung unter entsprechenden Bedingungen wahrscheinlich prognostizieren, also durch Wiedereintreten bestätigen lassen werde.
Zunächst möchte ich darlegen, was die Erkenntnisbiologie unter dem Begriff „wahrscheinlich“  versteht, denn wie ich schon dargelegt habe, steckt in den kleinsten Bausteinen der Materie „fast“ nur Statistik :
Da findet man nun die Erwartung, dass zwar nicht der Zeitpunkt oder alle Vorbedingungen,
jedoch der Grad der Möglichkeit eines Ereignisses zu prognostizieren wäre. Dies entspricht der Hypothese, dass man über jenen Spielraum, den die Welt ihren Zufallskomponenten einräumt, eine Voraussicht haben könnte. Das ist noch merkwürdiger, da man gar nicht anzugeben vermöchte, woher diese Vermutung im voraus stammen könnte; denn Wahrscheinlichkeit ist uns, wenn wir reflektieren, ein Maß für den Grad der Möglichkeit
eben noch unverwirklichter Zustände oder Ereignisse. Die Trefferwahrscheinlichkeit entspricht dabei dem Kehrwert des Repertoires des Zufalls; der Zahl der Wahlmöglichkeiten, die dem „Spiel des Zufalls“ eingeräumt sind. Und wie könnte man vom Ausmaß eines unbekannten Repertoires im voraus Kenntnis haben? Man kann diese Menge an Unkenntnis, über welche die Hypothese der Wahrscheinlichkeit vermeint, eine Voraussicht zu besitzen, auch als die Unkenntnis vom Repertoire des Zufalls beschreiben.
Bevor ich weiter erläutere, warum die Erkenntnisbiologie die Grundlagen der Wahrscheinlichkeitstheorie als zu „eindimensional“ sieht, kurz das wichtigste über deren Grundlagen:
Es geht um drei Axiome, nach welchen die Wahrscheinlichkeitstheorie heute mathematisch definiert ist:
Diese Axiome des russischen Mathematikers KOLMOGOROW lauten: 1. Jedem Ereignis A wird eine Zahl P(A), seine Wahrscheinlichkeit zugeordnet, wobei 0 <= P(A) <= 1 ist;
2. P(E) = 1, d.h. die Wahrscheinlichkeit des sicheren Ereignisses ist 1; 3. Schließen sich die Ereignisse A1, A2, A3, ... , An gegenseitig aus, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass entweder A1, oder A2, oder ... An eintritt, gleich der Summe der Einzelwahrscheinlichkeiten.
Im Prinzip ist jeder Vorgang, der ein erkennbares „Ergebnis“ hervorbringt, ein Experiment.
Wiederholbare Vorgänge werden allgemein in deterministische und  stochastische (zufallsbehaftete) Vorgänge eingeteilt. In Form des Wahrscheinlichkeitskalküls nach den
Gesetzen KOLMOGOROW’s wird der Unsicherheit den Versuchsausgang betreffend im mathematischen Modell Rechnung getragen. Stochastische Experimente liefern im Gegensatz zu deterministischen unter identischen Versuchsbedingungen unterschiedliche Ergebnisse.
Hier wird auf mathematischer Basis davon abgeschworen, dass sich nichts ohne Kausalität erklären ließe; nach dieser Theorie werden quantenphysikalische Zustände prinzipiell er-
forscht.
Nun wieder zur biologischen Argumentation:
Für den Fall, dass alle Zufallsereignisse, die im Rahmen einer Bedingung auftreten können, dieselben Chancen hätten, muß die Wahrscheinlichkeit eines jeden dem Kehrwert des in der Bedingung enthaltenen Repertoires entsprechen. Das Repertoire ist unter den bekannten Bedingungen der Münze, beim Würfel oder bei einem Paket Skat-Karten 2, 6 und 32; und folglich ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Adler fallen, die Eins gewürfelt oder der Herz-Bube gezogen werde ,  ½, 1/6 und 1/32.
Aber schon wurden verschiedene Arten des Wahrscheinlichkeitsbegriffes verwendet – in unserem Zahlenbeispiel handelt es sich um a posteriori-Wahrscheinlichkeit, eine Häufigkeitsinterpretation im nachhinein. Wobei uns hier erst eine unendliche Zahl von Würfen beispielsweise das Chancenverhältnis der Würfelseiten genau bestimmt. Beim schöpferischen Lernvorgang handelt es sich aber um eine a priori - Wahrscheinlichkeit, also um ein Urteil im voraus; und noch dazu von äußerst subjektiver Form. Denn es muß dieses Vorausurteil, wie wir wissen, von jeder Art von Unkenntnis seinen Ausgang nehmen können.
   Ein subjektiver Wahrscheinlichkeitsbegriff ist in den dreißiger Jahren entwickelt worden und stellt eine Präzisierung und Idealisierung, ein rationales Modell des vorwissenschaftlichen, intuitiven Begriffs der Wahrscheinlichkeit dar, den wir im Alltag verwenden und soll „einen allgemeinen Rahmen für die Verknüpfung rationaler Glaubensannahmen entwickeln.“
Hier genügt es, die Übereinstimmung und die Unterscheidung des subjektiven Wahrscheinlichkeitsbegriffes, wie er dem biologischen Lernprozeß entspricht, gegenüber dem formalen, in der Literatur gebräuchlichen festzustellen.
  Die Übereinstimmung besteht in der voraussetzungslosen, aber dennoch lenkenden Funktion, im Prozeß des Wissensgewinns. Da wie dort stellen wir fest: „Die intuitive Bewertung von Ereignissen mit Wahrscheinlichkeiten dient uns in vielen praktischen Fällen zur Grundlage unseres Handelns: wo wir keine Sicherheit haben, ob ein Ereignis E eintreten wird oder nicht, der Erfolg unseres Handelns aber davon abhängt, werden wir uns nach der Wahrscheinlichkeit richten, die wir E zumessen.“
Dabei ist es zunächst einerlei, worauf sich beispielsweise unsere Erwartung „es werde nicht regnen“ gründet: auf den Umstand, dass wir Meteorologen sind, dem Wetterbericht folgen, einer Bauernregel, weil uns das Tragen eines Schirms lästig ist, oder weil wir keinen zur Hand haben. So grundlegend die Übereinstimmung, so grundlegend ist aber auch der Unterschied. Der formale Begriff der subjektiven Wahrscheinlichkeit, resümiert KUTSCHERA, „will weder den tatsächlichen Glauben irgendeiner Person wiedergeben noch die Prinzipien, die für diesen tatsächlichen Glauben gelten. Was und wie tatsächlich geglaubt wird, ist eine rein empirische Frage.“ Diese empirische Frage ist jene der Biologen, es geht um Heuristik und nicht um Logistik, es geht nicht um Deduktion oder zwingende Ableitung, sondern um Induktion. Hypothesensuche unter Verwendung der Induktion, des Schließens vom speziellen auf das Allgemeine, mag dem nach Erkenntnis suchenden Biologen genauso wie dem „exakten“ Naturwissenschaftler als Methodik der Heuristik gelehrt werden, jedoch bin ich der Auffassung, dass „intuitive“ Deduktion in vielen Fällen überwiegt: Der formale Naturwissenschaftler, wie ich ihn nennen möchte, geht mit den Begriffen der Wahrscheinlichkeit so um wie mit der elementaren Methode des Dividierens und findet durch „Tun“, meist einfachere „drinnensteckende“ Gesetzmäßigkeiten. Die meisten physikalischen Gesetzmäßigkeiten wurden auf diese Art und Weise gefunden, um nur eben Begriffe, wie Temperatur, Masse u.s.w. zu erwähnen. Im nachhinein bewährt sich dann der induktive Aufbau einer Theorie, schrittweise zu verallgemeineren, wobei man dann stets trachtet, die Meßlatte des einfachen Gesetzes zu überspringen: Zum Beispiel wurde der Begriff Energie, die Arbeitsfähigkeit eines Mediums, durch Experimentieren mit Wärme gefunden; nun wurde ausgehend von sehr einfachen formalen Betrachtungen durch Induktion so weit verallgemeinert, dass atomare Erscheinungen schon lange vor deren Nachweis, insofern das verwendete Messinstrument, welches ich allgemein als Auge bezeichnen möchte, überhaupt als Photoapparat der Natur gesehen  werden kann, bekannt waren.
In der Biologie hat man es nicht mit der formalwissenschaftlichen Erklärung von Beweisen zu tun, sondern mit  der erfahrungswissenschaftlichen Erklärung von Erwartungen, also mit einer „heuristischen Wahrscheinlichkeit“.
Ich sehe den Unterschied im Wahrscheinlichkeitsbegriff, wie er von Biologen der erkenntnistheoretischen Schule und Naturwissenschaftlern gemacht wird als unüberbrückbare
Hürde, sich auf Indeterminismus als zumindest notwendige Bedingung für Willens- und Handlungsfreiheit zu einigen!
Ich halte auch nicht die Aussage für zweckmäßig, dass es die  heuristische und die logische Wahrscheinlichkeit gibt, beides von der subjektiven Wahrnehmung abhängig, welcher Interpretation man den Vorrang gibt.
Was die Hypothese vom Zweckvollen betrifft, nämlich dass der Zweck der Erfüllung einer sogenannten Oberfunktion entspricht, man denke an die Sinnhaftigkeit der Ca – Pumpe für die Bewegung des Muskels, und damit das Ziel durch die Selektion gesetzt wird, lässt sich aus
meiner Sicht kein Analogon im Bereich der Mikrophysik finden, zumindest nicht aus heutiger Sicht. Es gibt den schrittweisen Aufbau von Funktion zu Oberfunktion in der Physik nicht.


Die Hypothese vom Vergleichbaren – eine biologische Theorie des Vergleichens  


Vorerst einiges aus der Altenberger Schule: Der Vorgang des Abstrahierens, des gedachten Gleichmachens oder Vergleichens funktioniert im Bereiche der unreflektierten Vernunft offenbar zureichend. Jedenfalls in dem Maße wir uns vergleichend in dieser Welt bislang zurechtfanden. Es findet sich aber unsere reflektierende Vernunft, wenn nicht unfähig, so doch unvorbereitet, diesen Vorgang zu erleben. Mit dem Philosophen CHRISTIAN VON EHRENFELS, der jene vorbewussten Leistungen unserer Vernunft bemerkte, entstand in der Psychologie die Annahme von „Gestalt-Qualitäten“ und mit ihnen die noch immer etwas unbestimmte Gestaltpsychologie.
Sie gelangt zu etwa einem Dutzend anerkannter Regeln der Gestaltwahrnehmung, wie der
„Übersummativität“ oder der „Transponierbarkeit“. So erkennen wir etwa eine Melodie  trotz
ihres Transponiertseins in eine ganz andere Tonhöhe, so wie ja jede Gestalt für unser Erkennen mehr ist als die Summe ihrer Einzelmerkmale. Auch die Stagnation, die man der Gestaltpsychologie vorwirft, hängt laut R.RIEDL und K. LORENZ mit ihrer Fragestellung zusammen. Sie sucht nach den gegenwärtigen anstatt nach den historisch-phylogenetischen Gründen ihrer Invarianz- und Gewichtungs-Regeln. Die lebenserhaltende Vernunft dieser Regulative scheint nämlich dem Biologen durchaus verständlich.
Es ist ganz offensichtlich so, dass die Gleichzeitigkeit und das Nacheinander der Gesetzlichkeit dieser Welt nicht nur ratiomorph verschieden verrechnet wird, sondern dass uns die eine als Gestalterlebnis, das andere aber als Kausalerlebnis intuitiv ins Bewusstsein tritt. Beide Erlebnisse sind nach KANT wieder Aprioris für unsere reflektierende, individuelle Vernunft; die Aprioris der Qualität und der Relation.
  Beim Erfassen der Gestalts-Qualität müssen wir annehmen, dass mit jeder Wahrnehmung,
und sei sie noch so fragmentarisch, die gesamte vergleichbar erscheinende Hintergrund-Erfahrung mobilisiert wird; und dass die Merkmale des Wahrgenommenen nach der in ihnen gesuchten Stetigkeit im Rahmen der möglichen Ähnlichkeitsfelder gewogen, gewichtet und ergänzt werden. Stets unter Aufsicht jener angeborenen Lehrmeister, die darauf drängen, mit einer konsistenten, redundanten Natur geschlossener, vergleichbarer Gestalten zu rechnen. Und stets bereit, alle Prognosen an der sich erweiternden Erfahrung umzuordnen, um sie sofort wieder als neue Hypothese zu exponieren.
Experimentell kennt man diesen Hypothesenwandel bereits von den begriffsbildenden Aufgaben des Klassifizierens. Wird die Annahme der Versuchsperson durch die Prüfung bestätigt, ist das eine Bekräftigung der Hypothese. Sie wird beibehalten. Ist die Rückmeldung negativ (die Zuodnung war falsch), erfolgt eine Korrektur bzw. ein Wechsel der Hypothese. Auch die Strategie erfolgreicher Klassifizierungsprozesse lässt sich durch Stimulation auf Rechnern darstellen. Hier sei auf HUNT, DÖRNER, KLIX und GOEDE verwiesen; die erfolgreichen Messalgorithmen führen wieder über Rückmeldungen zur Gewichtung der Merkmale. Und „diese Gewichtveränderung spiegelt den Prozeß der subjektiven Invariantenbildung über den Reizwirkungen wieder“. Ein biologischer Algorithmus muß also vorliegen.
R. Riedl und K.LORENZ sind daher der Ansicht, dass der Prozeß selbst von der Schärfe, vom Umfang sowie vom Abstraktionsgrad des gefassten Begriffs unabhängig ist, und in den höheren Begriffen nur weiter durchgeführt wird.
Die Altenberger Schule fragt zwar nach den Molekülen der Erbsubstanz, aber nicht oder zumindest zuwenig nach der Methode des formalen Vergleichens im Bereich der Molekularforschung, somit unterscheiden sich hier methodisch diese zwei Wissenschaften wesentlich voneinander! Im Bereich der Molekularforschung kommt man ohne die naturwis-
senschaftliche Methode des Vergleichens nicht weiter! Man kann so gar nicht zu Quantenobjekten kommen, um vielleicht irgendwann den Indeterminismus der Gehirnprozesse zu verifizieren!
Was den Zweifel an der Realität der Ursache angeht, so möchte ich einen Vorläufer der Erkenntnistheorie erwähnen, nämlich DAVID HUME. Man zweifelt laut K.LORENZ, ob
unserer Vorstellung von der Kausalität überhaupt etwas Reales in der Natur entspräche. Man
kann ja nie sagen: „Wenn, oder weil die Sonne scheint, erwärmt sich der Stein“, sondern nur :
„Jedesmal wenn die Sonne scheint, ist auch der Stein warm“. Ein „weil“, so folgert HUME,
ist keine Folge der Erfahrung, sondern nur der Erwartung, denn wir wissen seit KANT, dass
Kausalität Erfahrungsgewinn nach sich zieht, der Umkehrschluss aber nicht gilt.
Nun formulieren die Biologen die Hypothese von der Ursache dahingehend, dass diese die Erwartung enthält, dass ähnliche Ereignisse oder Zustände dieselbe Ursache haben und dieselbe Wirkung tun werden. Der ratiomorphe Apparat bedient uns nach dieser Theorie in
Form unbewusst ablaufender Erkenntnisleistungen.
In der Untersuchung quantenpyhsikalischer Prozesse wird aber von akausalen Elementen aus-
gegangen, insofern widersprechen sich die Theorien zumindest in diesem Punkt.



5.  Meine sehr subjektive Meinung


Ich möchte mit der philosophischen Deutung des Verhältnisses von subjektiver und objektiver Welt beginnen:
Der Philosoph aber auch der Mathematiker beschäftigt sich ja damit, wie Erkenntnis von Erkenntnis zu gewinnen sei, die Biologie wie Erkenntnis aus sich selbst entsteht, letzteres ist eine oft irreführende Formulierung der Biologen, denn natürlich ist hier Erkenntnis(gewinn) als evolutionärer Prozess gemeint. Nachdem ich nun diese Unklarheit geklärt habe, möchte ich mich dem Modell von PARMENIDES zuwenden, welches als erste philosophische Deutung des Verhältnisses von subjektiver und objektiver Welt gilt .
Was immer wir von dieser Welt wissen, baut notwendigerweise auf den Erlebnissen unseres Subjektes auf; ebenso unser Wollen, Denken und Handeln. Subjekt und Objekt erscheinen gleichzeitig als Gegensatz wie als Fundament aller Erkenntnis. Schon da beginnen die Widersprüche .- Subjectum ist das erlebende, vorstellende, denkende und wollende Wesen; wörtlich „das Daruntergeworfene“, im Sinne eines Urgrundes, auf dem alles ruhte. Objectum dagegen heißt das dem Subjekt „Entgegengeworfene“. Sogleich aber spricht es für die Unklarheit dieser Begriffe, sagt KONRAD LORENZ, „dass sie ihre Bedeutung seit der Scholastik getauscht haben“ und dass im Englischen „subject“ auch durchaus im Sinne der deutschen Bedeutung von Objekt verwendet wird.
Nun, so wird behauptet, kann man nicht wissen, wie die Objekte dieser Welt wirklich seien.
Ein Apfel ist weder rot noch süß, wenn es niemanden gibt, der ihn sieht oder kostet. Er enthält dann nur bestimmte Moleküle und reflektiert aus dem Spektrum eine bestimmte Wellenlänge. Das Gewisseste, das Fundamentum aller Erkenntnis müsste somit das Subjekt und in ihm sein Denken sein; so dass selbst die Gewissheit, dass überhaupt etwas ist, in meinem Denken steckt. Cogito ergo sum, definierte daher Descartes: „ ich denke, also bin ich“. Wann aber kann ich meines Gewissesten gewiß sein, oder wessen Gewissheit wäre am gewissesten ?
Wir alle bezeichnen Gewissheiten, die das Subjekt erlebt, als subjektiv; was bekanntlich nicht weniger bedeuten soll als „voreingenommen, vorurteilsvoll und abhängig“ von zufälligen Wertungen. Und die Verwirrung wird vollständig, da wir aus den Objekten, die wir eben nur subjektiv vorurteilsvoll erkennen können, die Eigenschaft „objektiv“ ableiten, was sachlich, vorurteilslos und „tatsächlich“ bedeutet. Der Satz von DESCARTES  hilft uns aus dem Zwiespalt also keineswegs. Wir werden ihn sogar umkehren können: Sum ergo cogito ,
denn nur „da ich bin, denke ich“. Jedenfalls ist es ein Teufelskreis; weder Subjekt noch Objekt trägt den Grund der Gewissheit – die rationale Vernunft hat unser Denken nur gespalten!
Mir erscheint die Diskussion über das Verhältnis von subjektiver und objektiver Welt vor allem deswegen so wichtig, weil gerade in der Undefinierbarkeit, nicht genauen Erfassbarkeit  der beiden Begriffe eine große Gefahr schlummert. Wer ist das Subjekt und vor allem „was“ ist das Objekt in der modernen Teilchenphysik? Ich glaube fest, und wieder stoße ich an die Grenzen meiner Erkenntnis, dass Objekte eine Eigendynamik besitzen können, die der Mensch nicht kontrollieren kann, weil die Eigendynamik der Erkenntnis „voraus“ ist: die Gefahr einer „Kettenreaktion “, nämlich einer solchen, wo Prozesse in der Kernfusion, hierauf möchte ich mich ganz besonders beziehen, unkontrolliert von selbst ablaufen. Vielleicht ist die Erkenntnis des Menschen nicht genügend schnell gewachsen, vielleicht gibt es aber auch so was wie eine Welt da draußen außerhalb meines Horizontes, meiner subjektiven Wahrnehmung, die die eine oder andere Störung aushält, aber eben nicht beliebig viel Eingriff durch den Menschen. Ich habe in meiner Arbeit die Natur als Bauwerk kennengelernt, wo, wie ich glaube, das unbedachte Entfernen eines Betonträgers, eine globale Katastrophe auslösen kann. Für mich ist das ein Grund, ja wenn nicht sogar der trifftigste, doch die Ordnung in der Natur zu respektieren und den Menschen mit „all seiner Erkenntnis“ als Wesen zu sehen, das in einem großen Rohbau umherwandelt, mit einer Vernunft, die sich zu bilden vermag, die vielleicht mit der Evolution wächst, aber die Eigendynamik eines durch einen eigenmächtig entfernten Ziegel losgelösten Supergaus rechtfertigt meiner Meinung nach eher die Sichtweise von einer Welt, in der ICH bin. Damit möchte ich der philosophischen aber  auch naturwissenschaftlichen Betrachtung des Subjekt-Objekt-Problems eine moralische Komponente geben, auch wenn damit „Wissenschaftlichkeit“ verloren geht. Verlust an Formalität gilt ja als nicht schick in vielen naturwissenschaftlichen Kreisen!
Subjekt- und Objektbegriff verwaschen mit zunehmender Komplexität einer Fragestellung,
meinte einmal ein Naturwissenschaftler in einer Vorlesung, in der ich mich befand.
Neben der Tatsache, dass das Erkennen, das Durchleuchten der Eigenschaften der Objekte dieser Welt durch die Brille des Subjektes geschieht, aber auch durch das „Auge“, welches
meiner Meinung nach nicht 1:1 eine Abbildung der Natur darstellt, mit den obengenannten Gefahren der irreversiblen Zerstörung unserer Umwelt, scheint es mir noch wichtig, auf eine weitere Thematik hinzuweisen : die Überschätzung des Rationalen
Wir Menschen neigen dazu, den Anteil des Rationalen an unseren Leistungen weit zu überschätzen. Und das ist höchst natürlich, denn es ist uns naturgemäß nur das bewusste bewusst, und es ist die bewusste Vernunft das spezifisch Menschliche, das uns erhebend über das Tier setzt; und nicht zuletzt macht uns, merkwürdigerweise, weniger die Tatsache Eindruck, dass wir allen Blüten der Zivilisation zum Trotz überlebten, sondern vielmehr all das, was sie technisch-organisatorisch zusammengebastelt hat. Ungeachtet dieser Bewunderung für uns selbst, also für all das, wovon wir meinen, es alleine uns selbst danken zu müssen, stehen aber ratiomorphen Leistungen. Und diese zeigen, dass noch immer die meisten Assoziationen im Nichtbewussten geknüpft werden, dass ihr Antrieb dem Bewussten entzogen blieb, dass alles Schöpferische sich jenseits des Bewußten ereignet; und dass alles, was wir an Gedächtnisinhalten, komplexer Lösung, Kombinatorik, Gestalterleben besitzen, wie schon K LORENZ feststellt,  erst aus dem Nichtbewussten hervorgeholt, ja mühsam ins Bewußtsein befördert werden muß, um nur zu leicht ins Nichtbewusstsein zurückzusinken. Das Bewusstsein ist eine dünne Oberschicht über dem jahrmilliarden tiefen Untergrund seiner eigenen, nichtbewußten Voraussetzungen.
Ob man von der Subjekt – Objekt – Problematik oder von der Erkenntnis durch das „Auge“ oder von der Überschätzung des Rationalen spricht, ich schließe nicht mit der vereinfachenden Behauptung der Erkenntnisbiologie: Insofern haben Freud und Jung völlig recht.



Literatur:
Riedl, Rupert   1980 „Die stammesgeschichtlichen Grundlagen derr Vernunft“
Peter Kügler http://www.aurora-magazin.at/wissenschaft/phil_kuegler.htm
Peter Bieri  "Das Handwerk der Freiheit"
"Wie frei sind wir? Das Determinismus-Problem" von Ted Honderich.


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Leibniz, Gottfried Wilhelm 1710: Die Theodizee. Hamburg: Meiner 1968.

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Wikipedia :

• Bernhard Irrgang: Lehrbuch der Evolutionären Erkenntnistheorie, Reinhardt, 2. Aufl München 2001, ISBN 3-8252-1765-5
• Konrad Lorenz: Rückseite des Spiegels. Versuch einer Naturgeschichte des menschlichen Erkennens. (1973) München
• Karl Popper: Objektive Erkenntnis. Ein evolutionärer Entwurf. (1973) Hamburg
• Willard Van Orman Quine: (1969), "natural kinds”, in: Willard Van Orman Quine, Ontological Relativity and Other Essays. New York: Columbia University Press, S.115 - 138
• Rupert Riedl: Biologie der Erkenntnis. Die Stammesgeschichtlichen Grundlagen der Vernunft. (1980) Berlin/Hamburg
• Gerhard Vollmer: Evolutionäre Erkenntnistheorie. (1975, 8. Aufl. 2002) Stuttgart
• H. Maturana / F. Varela: Der Baum der Erkenntnis. München 1987
• I. Kant, Kritik der reinen Vernunft, B = 2. Auflage 1787, zitiert nach der Ausgabe Meiner, Hamburg 1998



        
Bezug
Determinismus: Mitteilung
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 22:02 So 22.10.2006
Autor: andreas01

Liebe Freunde !

was ich vergessen habe : dieser Artikel wurde bereits veröffentlicht !
ich habe daher eine Version genommen, bei der so manches in der zitation nicht stimmt...., der Inhalt ist aber richtig

lg

Bezug
        
Bezug
Determinismus: Fälligkeit abgelaufen
Status: (Mitteilung) Reaktion unnötig Status 
Datum: 16:21 Mi 25.10.2006
Autor: matux

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